Kreisstadt St. Wendel - die Hauptgeschäftsstraße, die heutige Bahnhofstraße, war die „Adolf-Hitler-Straße"
In der Stadtratssitzung am 13. Oktober 1934, also schon 3 Monate vor der Saar-Abstimmung, wurden in St. Wendel die ersten Straßennamen geändert. Die heutige Bahnhofstraße wurde in „Adolf-Hitler-Straße" und der Ostteil der heutigen Balduinstraße, damals Kasinostraße, in „Hindenburgstraße" umbenannt. Das damalige Kasino-Rondell erhielt den Namen „Hindenburgplatz". Dem heutigen Schlossplatz gab man in vorauseilender Unterwürfigkeit den Namen „Adolf-Hitler-Platz". Allerdings stellte sich heraus, dass die damaligen Stadtväter der „Deutschen Front" - die Ratsmitglieder der „Einheitsfront" stimmten gegen die Umbenennungen - zu voreilig gehandelt hatten. Am 28. August 1936 musste die Umbenennung des zentralen Platzes auf Grund eines Erlasses wieder rückgängig gemacht werden, weil die Änderung historischer Straßennamen nicht zulässig war. Offensichtlich wurden in ganz Deutschland zu viele historische Straßen und Plätze mit dem Namen des „Führers" versehen. Alle anderen nazifizierten Straßennamen St. Wendels wurden erst wieder auf Anweisung der Militärregierung am 27.04.1945 geändert.
In weiteren Stadtratssitzungen vom 12. Januar, 28. August und 13. Oktober 1936 sowie vom 03. Januar 1939 wurden dann noch viele andere Straßenumbenennungen beschlossen. Die neuen Straßennamen hatten alle einen nationalistischen oder nationalsozialistischen Hintergrund.
Es gab die „Langemarckstraße", nach einem Ort in Belgien, wo im Herbst 1914 im 1. Weltkrieg in einer Schlacht hunderttausende deutscher Soldaten sinnlos verheizt wurden, die „Richthofenstraße", nach dem berühmten Kampfflieger aus dem 1. Weltkrieg, die „Dietrich-Eckart-Straße", nach dem Dichter des SA-Liedes „Deutschland Erwache" und Freund Hitlers, die „Schlageterstraße", nach einem im Ruhrkampf 1923 umgekommenen nationalsozialistischen Kämpfer oder auch die „Wilhelm-Gustloff-Straße", nach dem am 04.02.1936 ermordeten NSDAP Landesgruppenleiter in der Schweiz. Natürlich durfte auch die „Horst-Wessel-Straße", benannt nach dem hoch verehrten nationalsozialistischen „Märtyrer", nicht fehlen.
Weiterhin gab es die „Hans-Schemm-Straße" und die „Hans-Schemm-Schule", benannt nach dem im März 1935 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Gauleiter der Bayerischen Ostmark und Gründer und Führer des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB), die „Walter Felix Flex-Straße", benannt nach einem 1917 im 1. Weltkrieg gefallenen Kriegsdichter, die „Josef Bürckel-Straße", benannt nach dem mächtigen Gauleiter des Gaues Saar-Pfalz und späteren Gauleiter des Bezirkes Wien und „Reichskommissar für die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich", die „Jakob-Johannes-Straße", benannt nach einem von der französischen Besatzungsmacht am 20.10.1919 erschossenen Arbeiter, die „Immelmannstraße", benannt nach einem Kampfflieger des 1. Weltkrieges, der nach 15 erfolgreichen Einsätzen abgeschossen worden war und die „Boelckestraße", ebenfalls nach einem Kampfflieger des WK I benannt, der nach 40 Einsätzen unbesiegt abgestürzt war.
Zusätzlich wurden vielen Straßen Namen gegeben, die nach Gegenden und Städten benannt waren, die aus nationalsozialistischer Sicht symbolträchtig waren. So wurden die „Steiermarkstraße", die „Königsberger Straße", die „Danziger Straße", die „Memeler Straße", die „Linzer Straße" und die „Eupener Straße", die „Reichenbergerstraße", die „Egerländer Straße", die „Lichtenbergstraße" und die „Aussigerstraße" geschaffen. Natürlich vergaß man auch nicht den Geburtsort des „Führers", Braunau in Österreich, und schuf die „Braunauer Straße".
Im Folgenden die Straßen der Kreisstadt, die damals umbenannt wurden und ihre heutige Namen:
Heutige Straßen |
Umbenannte Straßen |
Stadtratsbeschluss |
Bahnhofstraße |
Adolf-Hitler-Straße |
13.10.1934 |
Ostteil Balduinstraße |
Hindenburgstraße |
13.10.1934 |
ehemaliges Kasino-Rondell |
Hindenburgplatz |
13.10.1934 |
Schlossplatz |
Adolf-Hitler-Platz |
13.10.1934 |
Parkstraße |
Straße des 13. Januar |
12.01.1936 |
Platz vor ehem. Bodenwirtschaftsamt |
Platz der Deutschen Front |
12.01.1936 |
Straße im Bereich Wassersack |
Hermann-Löns-Straße |
28.08.1936 |
Cusanusstraße |
Langemarckstraße |
13.10.1936 |
Mommstraße |
Richthofenstraße |
13.10.1936 |
Schorlemerstraße |
Dietrich-Eckart-Straße |
13.10.1936 |
Alfred-Friedrich-Straße |
Schlagetrerstraße |
13.10.1936 |
Gymnasialstraße |
Wilhelm-Gustloff-Straße |
13.10.1936 |
Schulstraße |
Horst-Wessel-Straße |
13.10.1936 |
Volksschule |
Horst-Wessel-Schule |
13.10.1936 |
Missionshausstraße |
Walter-Flex-Straße |
13.10.1936 |
Siedlung Tholeyer Berg |
Josef-Bürckel-Siedlung |
13.10.1936 |
Straßennamen in der Siedlung |
Jakob-Johannes-Straße |
13.10.1936 |
? |
Immelmannstraße |
13.10.1936 |
? |
Boelckestraße |
13.10.1936 |
Julius-Bettingen-Straße |
Hans-Schemm-Straße |
13.10.1936 |
dortige Schule |
Hans-Schemm-Schule |
13.10.1936 |
Goethestraße |
Braunauer Straße |
03.01.1939 |
Schillerstraße |
Steiermarkstraße |
03.01.1939 |
Anfang Schlaufenglan |
Königsberger Straße |
03.01.1939 |
Riottestraße |
Danziger Straße |
03.01.1939 |
Straße Am Friedhof |
Memeler Straße |
03.01.1939 |
Mozartstraße |
Linzer Straße |
03.01.1939 |
Berschweilerstraße |
Eupener Straße |
03.01.1939 |
wahrscheinl. Rosenstr. |
Reichenbergerstraße |
03.01.1939 |
wahrscheinl. Lichtenbergstr. |
Egerländer Straße |
03.01.1939 |
? |
Aussigerstraße |
03.01.1939 |
(Quelle: Eberhard Wagner, "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz", St. Ingbert 2008)