Das alternative Heimatbuch

Je länger der Krieg dauerte und je zahlreicher die Fronten wurden, an denen die Soldaten Hitler-Deutschlands kämpften, um so mehr Soldaten wurden natürlich benötigt. Bereits Ende 1941, ein halbes Jahr nach Beginn des Russlandfeldzuges waren 831.000 deutsche Gefallene, Vermisste und Verwundete zu verzeichnen und bis Frühjahr 1942 gingen weitere 900.000 Mann verloren. Das hatte zur Folge, dass in der heimischen Wirtschaft, insbesondere in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft, in zunehmendem Maße ein großer Mangel an Arbeitskräften entstand. Schon kurz nach Beendigung des Polenfeldzuges begann man in mehreren „Rekrutierungswellen" polnische Kriegsgefangene und Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu schaffen. Zum größten Teil wurden die Menschen von der Straße weg eingefangen und gegen ihren Willen nach Deutschland deportiert. 1,5 Millionen Zivilisten und 500.000 Kriegsgefangene aus Polen waren in Deutschland zur Zwangsarbeit eingesetzt. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 wurden weitere 2,8 Millionen Menschen als „zivile Ostarbeiter" ins Reich deportiert, dazu kamen ab der Jahreswende 1941/42 Millionen von russischen Kriegsgefangenen - nachdem man bis dahin mehr als 2,5 Millionen von ihnen hatte krepieren lassen oder sie planmäßig ermordet hatte - sowie Kriegsgefangene anderer Länder. Man schätzt, dass weit mehr als 7 Millionen ausländische Männer und Frauen während des Krieges in Deutschland gegen ihren Willen Zwangsarbeit verrichten mussten.

Die im Saargebiet eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte, Zivilarbeiter und Kriegsgefangene, schätzt man auf mehr als 70.000 Menschen, wobei am Stichtag 01. Juni 1944 davon 45.076 Zivilarbeiter waren. Die stärkste Gruppe stellten dabei die Russen, gefolgt von Franzosen, Polen und Italienern, die nach der Kriegserklärung Italiens an Hitler-Deutschland im Herbst 1943 verstärkt zu Zwangsarbeiten herangezogen wurden.

Die Einsatzbereiche für die Zwangsarbeiter im Saarland waren ganz am Anfang im Jahre 1940 auch Einsätze im Westwallbau, die Ende 1940 beendet wurden, und gegen Ende des Krieges vermehrt Schanzarbeiten und Beseitigung von Kriegsschäden. Überwiegend wurden sie aber in der Landwirtschaft und in der Kriegsproduktion eingesetzt. Letzteres bedeutete im Saarland Arbeiten im Bergbau und in der Eisen- und Stahlindustrie sowie im Kreis St. Wendel auch im Reichsbahnausbesserungswerk in der Kreisstadt. Wie wichtig die Zwangsarbeiter für die Saarwirtschaft waren, zeigen z.B. folgende Zahlen über die Belegschaftsstärken bei Saarberg und in der Eisen- und Stahlindustrie:
Im August 1944 arbeiteten bei Saarberg neben der Stammbelegschaft von 38.311 einheimischen Arbeitern insgesamt 14.837 Zwangsarbeiter und in der Eisen- und Stahlindustrie waren im Februar 1944 von insgesamt 49.941 Beschäftigten 17.475 Zwangsarbeiter eingesetzt. Ohne die Zwangsarbeit wäre die deutsche Wirtschaft nicht in der Lage gewesen, so lange für den Krieg zu produzieren.

Die Bedingungen, unter denen die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter leben und arbeiten mussten, waren weit schlechter als die vergleichbarer deutscher Arbeitskräfte. Am besten hatten es meist noch diejenigen, die in der Landwirtschaft tätig waren, da sie überwiegend bei den Landwirten lebten und dort normalerweise gut behandelt wurden. Diejenigen, die in Lagern untergebracht waren, hatten dagegen weitaus schlechtere Lebensbedingungen. In den meisten Unterkünften fehlte es an ordentlichen Waschgelegenheiten, Desinfektionseinrichtungen und Möglichkeiten zum Ausbessern der Kleidung, und im Winter mangelte es an Heizmaterial und Wolldecken. So ist es nicht verwunderlich, dass in vielen Lagern die Sterblichkeit eine sehr hohe war, insbesondere gegen Ende des Krieges, als im letzten Kriegswinter viele Zwangsarbeiter zu Schanzarbeiten herangezogen wurden.
Insbesondere polnische Zwangsarbeiter(innen) wurden aufs Übelste diskriminiert.
Polen mussten auf ihrer Kleidung „ein stets sichtbares, mit der jeweiligen Oberkleidung fest verbundenes Abzeichen ( „P") auf der rechten Brustseite" tragen, Ostarbeiter ein „Ost". Darüber hinaus wurde das Sonderstrafrecht, das seit dem 04. Dezember 1941 für Polen in den annektierten Gebieten Gau Wartheland und Gau Danzig-Westpreußen galt, auch auf polnische Fremdarbeiter im ganzen Reichsgebiet ausgeweitet. Danach hatten Polen eine „unbegrenzte Gehorsamspflicht" gegenüber dem „Deutschen Volke" und für „Delikte" wie „hetzerische Betätigung einer deutschfeindlichen Gesinnung" oder „deutschfeindliche Äußerungen" war die Todesstrafe vorgesehen. Dieses Sonderstrafrecht wurde ab Januar 1942 auch auf „Taten" ausgedehnt, die schon vor dem Erlass der Verordnung begangen worden waren. Mit der Todesstrafe bedroht wurden auch polnische Zivilarbeiter, die „mit einer deutschen Frau oder einem deutschen Mann geschlechtlich verkehrt(en) oder sich ihnen sonst unsittlich nähert(en)"
Allen Betreibsführern, die Zwangsarbeiter(innen) beschäftigten, wurden diese Merkblätter ausgehändigt, die nichts anderes waren als ein Aufruf zu Völkerhass und Rassismus. Hier ein Beispiel:
Merkblatt S 1

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Merkblatt S 2          

(Quelle: "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz")

 In der Gemeinde Marpingen waren insgesamt mindestes 71 Menschen als zivile Zwangsarbeiter(innen) beschäftigt. Dazu kamen noch mindestens 31 Kriegsgefangene.

Hier die Namen der zivilen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die während des 2. Weltkrieges in der Gemeinde Marpingen beschäftigt waren:

Ortsteil Alsweiler:
Insgesamt waren in Alsweiler während des Krieges 14 Zivilisten zwangsweise beschäftigt. Ihre Nationalität konnte nicht ermittelt werden, aber aus den Namen und aus der Zusammensetzung der Zwangsarbeiter in den anderen Dörfern der Bürgermeisterei kann geschlossen werden, dass sie entweder aus Polen oder der UDSSR kamen. Ebenso wurden keine Informationen über ihre Aufenthaltsdauer gefunden. 7 der Beschäftigten waren Frauen, was eindeutig aus den Vornamen abzulesen ist. Der oder die Jüngste war im März 1945 gerade einmal 17 Jahre alt. Alle waren bei ihren Arbeitgebern untergebracht.

Name, Vorname

Nationalität

Geb.dat. /

Alter / Geb.ort

Arbeitgeber, Adresse,

(Haus-Nr.)

Bojko, Michael

?

 

26.07.1914

August Brill

Bojtchuk, Iwan

?

 

21.06.1916

Richard Trapp

Duskzatschek, Maria

?

?

Peter Trapp

Iwachno, Canna

?

?

Peter Marx

Kiszka, Katharina

?

?

Fritz Groß

Kletschkowa, Marika

?

?

Willi Brill

Kurasek, Jaroslaw

?

28.06.1921

Wtw. Holzer

Owitke, Elias

?

 

24.07.1904

Johann Holzer

Paladiark, Michel

?

21.11.1921

Jakob Eckert

Procyzyon, Nikola

?

04.12.1927

Jakob Laub

Slewig, Viktoria

?

?

Jakob Hoffmann

Tanczak, Jewska

?

1909

Wendel Gillen

Woloschyn, Josef

?

16.03.1921

Michel Morsch

Zelesejenke, Pelagia ?

?

Jakob Recktenwald

(Quelle: "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz")

Ortsteil Marpingen
In Marpingen waren während des Krieges insgesamt 23 Zivilisten zwangsweise beschäftigt, 10 Frauen und 13 Männer. Die Nationalität konnte nicht bei allen festgestellt werden, jedoch kann man davon ausgehen, dass alle aus den besetzten Gebieten Polens oder der UDSSR kamen. Auch über Alter und Aufenthaltsdauer konnten für die Marpinger zivilen Zwangsarbeiter nur lückenhafte Informationen herausgefunden werden.

Name, Vorname

Nationalität

Geb.dat. /

Alter / Geb.ort

Arbeitgeber, Adresse (Haus-Nr.)

Beschäftigungsdauer

Burger (Buretsch), Paul

Polen (UDSSR / Ukraine)

03.08.1919 / 26 Jahre / Wolsche (Wolzo)

Friedrich (Fritz) Schu, Eulenwaldstraße 14

April 1943 - Ende 1945

Danik, Nastja

?

 

?

Johann Klein

?

Depieke, Max

?

 

?

Peter Brill

?

Grzegoz (Gregorow) (Fritz)

Polen

31.03.1925/ 20 Jahre / Nowostatia

Heinrich Gessner, Marktstraße 2

07.07.1941 - Ende 1945

Hora, Helga

UDSSR / Ukraine

?

Alfons Scherer, Neugasse 7

?

Kosyk, Josef

UDSSR / Ukraine

?

Heinrich Gessner, Marktstraße 2

?

Kuczera, Mytro

?

 

?

Wtw. A. Kunz

?

Meteychyn, Peter

?

?

Michel Pirro

?

Michaltsche, Josef

?

?

Wtw. Recktenwald

?

Nahornak, Werra

?

?

Wtw. Recktenwald

?

Nikolaja, Maria

?

 

?

Paul Frank

?

Nikoly, Fritz

?

 

?

Peter Kunz

?

Pastuo, Walter

?

 

?

Joh. Peter Gilges

?

Patschka, Maria

?

?

Peter Kennerknecht

?

Pawlikowitsch, Nadja

?

?

Jakob Becker

?

Piwack, Maria

?

 

?

Wtw. Hubertus

?

Sarafina, Kot.

?

 

?

Peter Klees

?

Schwetschuk, Luba

?

?

Reinhold Fuchs

?

Stupak, Anna

?

 

?

Richard Scherer

?

Szabah, Gregor

?

?

 

Albert Leist

?

Winiarzcik, Stanislawa

Polen

?

Wtw. Karl Schmidt, Viktoriastr. 31

1944 - ?

Wschetion, Josef

?

?

Friedrich Thome

?

Zbigniew, Uszyi

?

?

 

Alois Gilges

?

(Quelle: "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz")

Ortsteil Urexweiler
In Urexweiler waren insgesamt 34 zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des Krieges beschäftigt. 10 von ihnen waren Frauen. Alle kamen aus Polen oder der UDSSR und waren bei ihren landwirtschaftlichen Arbeitgebern untergebracht.

Name, Vorname

Nationalität

Geb.dat. /

Alter / Geb.ort

Arbeitgeber, Adresse,

(Haus-Nr.)

Beschäfti
gungsdauer

Babenjuk, Senka

Polen

(UDSSR / Ukraine)

? / ca. 34 Jahre / Nähe Lemberg / Galizien

Johann Mailänder, Hirzweilerstraße 5

April 1943 - November 1943

Beutelsacher, Jakob

?

?

Franz Schorr, Friedhofstraße 9

?

Bondarewa, Maria

?

?

Paul Spaniol, Friedhofstraße 15

?

Dimitrop, Medre (Madre)

UDSSR / Ukraine

? / ca. 17 Jahre

Nik. Spaniol, Friedhofstraße 8 (5)

18.07.1944 - April 1945 (Nov. 1945)

Dock , Michael

?

?

Peter Jos. Brehm, Schloßstr. 18

?

Drumerewsky Andreas

Polen

 

geboren 1928 / Kreis Stanislaus

(Joh.) Nikolaus Aug. Brehm, Knoppstr. 6

01.03.1943 - 01.05.1945

Ewstratow, Stanislaus

?

?

Paul Spaniol, Friedhofstraße 15

?

Goreski, Josef

?

?

Robert Becker, Gartenstraße 17

?

Grezny, Nikolai

UDSSR / Ukraine

?

Josef Dörr, Schloßstraße 22

?

Horedienko, Nikolaus

?

?

Jakob Huber, Eckstraße 14

?

Iwanez, Helene (Leni)

UDSSR / Ukraine

?

Nik. Spaniol, Friedhofstraße 8

?

Klimm, Michael

?

?

Franz Huber, Hauptstraße 35

?

Konjuk, Sonja

Polen

(UDSSR / Ukraine)

23.04.1925 / Nähe Lemberg / Galizien

Paul Spaniol, Friedhofstraße 15 ( Jos. Recktenwald, Eckstraße )

28.07.1942 - Juni 1945

Koranior, Rudricko

?

?

Peter Hinsberger, Schloßstraße 16

?

Kosik, Josef

UDSSR / Ukraine

? / 15 Jahre

Schäfergemeinschaft Urexweiler

Januar 1943 - November 1943

Kossar, Stanislaus

Polen

(UDSSR / Ukraine)

? / 21 Jahre / Nähe Lemberg / Galizien

Nik. Paul Brehm, Hauptstr. 62 (41)

27.08.1942 -

Juni 1945

Kutzycki, Josef

?

?

Johann Groß, Schalksbergstraße 5

?

Morosow, Iwan

UDSSR / Ukraine

?

Joh. Nikolaus Brehm, Hauptstr.62

01.08.1943

Myschtschant
scheck, Iwan

?

?

Andreas Reis, Schalkbergsstraße 2

?

Pane(c)ke, Emilia

Polen

? / ca. 18 Jahre / Bernadowka / Galizien

Nikolaus Spaniol, Friedhofstraße 8 (5)

Juni 1942 - November 1943

Petrenko, Nadia (Natalia)

UDSSR / Ukraine

? / ca. 20 Jahre

Nik. Spaniol, Friedhofstraße 8 (5)

15.12.1944 - April 1945

Polanska, Sophie

Polen

? / ca. 23 Jahre / Galizien

Nik. Spaniol, Friedhofstraße 8 (5)

November 1944 - März 1945

Prystasch, Michael

?

?

Nickolaus Picke, Hauptstraße 33

?

Rischuk, Nazia

?

?

Pet. Recktenwald, Eckstraße 24

?

Rutnitzky, Baranja

Polen / (UDSSR / Ukraine)

 

30.03.1925 / 20 Jahre / Wianzowa bei Lemberg / Galizien

Peter Hinsberger, Schloßstraße 16

Juni (Juli) 1942 - ?

Shumbas Wassil

UDSSR / Ukraine

? / ca. 20 Jahre

Josef Holzer, Knoppstraße 35

Mai 1942 - 22.06.1945

Seneck, Feodor

?

?

Peter Hinsberger, Schloßstraße 16

?

Slabe, Wassil

?

?

Nikolaus Brehm, Eckstraße

?

Terefruck, Katharina

?

?

Josef Dörr, Schloßstraße 22

?

Ursulak, Pedro

Polen

(UDSSR / Ukraine )

? / ca. 24 Jahre / Lemberg / Galizien

Wtw. Lina Recktenwald, Friedhofstraße 1

April 1943 - Juni (Juli) 1945

Weikum, Johann

?

?

Nik. Spaniol, Friedhofstraße 9

?

Wyschoreck, Andrey (Renko)

Polen

(UDSSR / Ukraine)

? / 24 Jahre / Lemberg / Galizien

Johann August Brehm, Knoppstraße 6

27.04. (05.)1944 - 16.05.1945

Wollosge, Drytro

?

?

Jakob Huber, Eckstraße 14

?

Zywottke, Franz

Polen

(UDSSR / Ukraine)

? / ca. 41 Jahre / Sparas / Galizien

Nikolaus Hinsberger, Schloßstraße 16

Juni 1942 - November 1943

(Quelle: "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz")

 Literaturhinweis:

Unser Verein trat an die Gemeindeverwaltung mit der Bitte heran, ihm die Straßennamen in der Zeit von 1935 bis 1945 mitzuteilen. Leider konnte die Verwaltung keine Auskunft geben, es seien keine Unterlagen vorhanden. Auch im offiziellen Marpinger Heimatbuch ist nichts über Straßennamen der Nazi-Zeit zu finden. Dennoch konnte, dank der erhaltenen NSDAP Parteimitgliederliste und vieler Zeitungsartikel aus der damaligen Zeit, die Benennung der Straßen mit Nazi-Größen lückenlos nachvollzogen werden. Und siehe da, eine Fülle von Straßen war davon betroffen. Schon kurz nach der Abstimmung im Januar 1935 begann man mit der neuen nationalsozialistischen Namensgebung.

Am 10. Mai 1935 konnte man in der „St. Wendeler Zeitung" lesen: „Vonseiten der Bevölkerung wird der Vorschlag gemacht, den „Langenstrang" in „Horst-Wessel-Straße" und die „Treib" in „Adolf-Hitler-Straße" umzubenennen. Weiterhin wünscht man die Umbenennung der Straße „Schmitzecken" in „Wohlfahrtstraße" und die Straße „Im Grund" in „Kapellenweg". Der „Marktplatz" soll die Bezeichnung „Hindenburgplatz" und der Sportplatz „Adolf-Hitler-Kampfbahn" führen."
So geschah es zum größten Teil. Der Marktplatz wurde aber nicht in „Hindenburgplatz" umgetauft, sondern in „Befreiungsplatz", und nicht der Langenstrang wurde zur „Horst-Wessel-Straße", sondern die „Alsbachstraße". Die damalige Straße „Träb" und heutige „Marienstraße" wurde in „Adolf-Hitler-Straße", die vom Kirchberg bis zum Schmitzecken reichte, umbenannt. In der Schulchronik steht, dass diese Umbenennungen schon zum 01. März 1935, dem offiziellen Rückgliederungstag, veranlasst wurden, aus dem „Niederschriftenbuch des Bürgermeisters von Marpingen 1935 - 1953" geht hervor, dass die „Träb-Straße" und der „Platz in der Dorfmitte" am 10 Januar 1936 umbenannt wurden. Jedenfalls hießen die heutige „Urexweilerstraße" „Hermann-Göring-Straße", benannt nach Hitlers „Reichsmarschall", der 1945 wegen Völkermordes zum Tode durch den Strang verurteilt wurde, die heutige „Alsbachstraße" „Horst-Wessel-Straße", benannt nach dem nationalsozialistischen „Märtyrer", der auch dem gleichnamigen heute verbotenen Lied den Namen gab, und die „Josef-Bürckel-Straße" in der neuen Siedlung wurde benannt nach dem ersten Gauleiter des neugeschaffenen Gaues Saar-Pfalz. Die „Hindenburgstraße", die heutige „Alsweilerstraße", erinnerte an Hitlers Steigbügelhalter, den Feldmarschall des ersten Weltkrieges, der „Befreiungsplatz" an den 13. Januar, den Tag der Saarabstimmung, der als Tag der Befreiung galt, und last not least taufte man die „Lebensader" im Zentrum des Dorfes, die heutige „Marienstraße", „Adolf-Hitler-Straße". Die Schulchronik berichtet noch, dass Anfang 1938 die letzten umbenannten Straßen ihre neuen Schilder erhalten hätten, „eine Maßnahme, die schon länger fällig war und auch zu Verschönerung des Ortsbildes beiträgt", hieß es wörtlich.

Hier zusammengefasst die Marpinger Straßen, die damals umgetauft bzw. neu benannt wurden:
heutige Alsweilerstraße................................... Hindenburgstraße
heutige Urexweilerstraße................................. Hermann-Göring-Straße
heutige Marienstraße....................................... Adolf-Hitler-Straße
heutige Ringelgasse........................................ Hermann-Löns-Straße
heutige Berschweilerstraße.............................. Langemarkstraße
heutige Friedrichstraße / Glück-auf-Straße ...... Josef-Bürckel-Straße
heutige Alte Kloster Straße.............................. Schulstraße
heutige Alsbachstraße..................................... Horst-Wessel-Straße
heutige Am Marktplatz..................................... Befreiungsplatz

Mit der Befreiung Marpingens sind alle Nazi-Straßennamen verschwunden. Höchstwahrscheinlich wurden die Schilder schon vor dem Einmarsch der Amerikaner von den Marpinger Bürgern entfernt, da man sich schlecht vorstellen kann, dass etwa das Straßenschild mit dem Namen „Adolf Hitler-Straße" noch beim Einmarsch der amerikanischen Soldaten aufgehängt gewesen war. Weder die Schulchronik noch das Beschlussbuch des Gemeinderates geben darüber Auskunft, auch nicht darüber wann und wie die Straßen neu benannt wurden. Jedenfalls hieß am 21. Januar 1947 die ehemalige „Adolf-Hitler-Straße" und heutige „Marienstraße" „Brückenstraße". Und der Gemeinderat beschloss an diesem Tag unter Tagesordnungspunkt 4, diese nach dem SPD-Mitglied und Widerstandskämpfer Alois Kunz, der in Auschwitz ermordet wurde, in „Alois-Kunz-Straße" umzubenennen. Leider wurde der Beschluss aber bis heute noch nicht ausgeführt.

Nazi-Straßennamen in Urexweiler:
In Urexweiler hieß (von Marpingen kommend) der vordere Teil der Durchgangsstraße „Adolf-Hitler-Straße", heute „Hauptstraße", und die heutige „Knoppstraße" „Horst-Wessel-Straße". Die heutige „Illbachstraße" und die Straße „Im Eck" waren die „Dr.-Josef-Goebbels-Straße", die 1938 ausgebaut wurde. Daneben gab es in dem Marpinger Ortsteil einen „Platz der Deutschen Front", eine „Hermann-Göring-Straße", eine „Himmler-Straße" - benannt nach dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler - und eine „Bürckel-Straße". Auch eine „Hindenburgstraße" (hinterer Teil der Durchgangsstraße von Marpingen kommend) fehlte nicht. Letztere und die „Adolf-Hitler-Straße" erhielten in der Gemeinderatssitzung vom 31. März 1935 ihre neuen Namen, die übrigen wurden in der Sitzung vom 10. Oktober 1936 umbenannt. In dieser Sitzung wurde auch die Anschaffung der emaillierten Straßenschilder beschlossen.
Alle Straßen mit Nazi-Namen wurden in der „Ersten Beratung" nach dem Einmarsch der Amerikaner am 17. April 1945 wieder umbenannt.

Die Urexweiler Straßen, die damals umgetauft bzw. neu benannt wurden noch einmal im Überblick:
heutige Hauptstraße, vorderer Teil ............. Adolf-Hitler-Straße
heutige Hauptstraße, mittlerer Teil ............. Franz-Rudolf-Straße
heutige Hauptstraße, hinterer Teil .............. Hindenburgstraße
heutige Buchwaldstraße ............................ Hermann-Göring-Straße
heutige Illbachstraße ................................. Dr.-Josef-Goebbels-Straße
heutige Dillwiesstraße ............................... Heinrich-Himmler-Straße
heutige Königstraße .................................. Josef-Bürckel-Straße
heutige Knoppstraße ................................. Horst-Wessel-Straße
heutige Am Alten Markt (?) ........................ Platz der Deutschen Front

Alsweiler:
Im Alsweiler Heimatbuch von 2004 ist zu lesen:
„... In der Folge werden verschiedene Straßen nach NSDAP-Führern benannt, so heißt die Dorfstraße - Adolf-Hitler-Straße, die Hübelstraße - Hermann-Göring-Straße und die Reitersbergstraße - Joseph-Bürckel-Straße."
Daneben gab es in Alsweiler auch noch eine „Hermann-Löns-Straße".
Leider können für Alsweiler die weiteren Umbenennungen nicht identifiziert werden.

Drei Sinti-Kinder aus Urexweiler

Der deutsche Rassismus während der nationalsozialistischen Herrschaft betraf, und das wurde lange Zeit einfach vergessen, auch die Angehörigen der Sinti und Roma in Europa. Über die Menge ihrer Opfer liegen keine eindeutigen Daten vor. Die Zahl der in Europa bis Kriegsende in Konzentrationslagern und von SS-Einsatzgruppen ermordeten Roma und Sinti wird aber auf eine halbe Million geschätzt. Von den durch die Nazis erfassten 40.000 deutschen und österreichischen Sinti und Roma wurden über 25.000 ermordet.

Unter diesen mehr als 25.000 deutschsprachigen Sinti und Roma waren auch drei Kinder aus Urexweiler, die Geschwister Eva, Maria und Peter Weiß.
Ihre Namen finden sich in den sogenannten „Sterbebüchern“ von Auschwitz. Diese wurden von der SS ab dem 04. August 1941 geführt und enthielten die Todesdaten von Auschwitz-Häftlingen aus dem Zeitraum vom 27. Juli 1941 bis zum 31. Dezember 1943. Während der Evakuierung des Lagers im Januar 1945 wurden die „Sterbebücher“ zum Teil von den SS-Schergen vernichtet, aber die sowjetischen Befreier konnten noch 46 Bände retten und verbrachten diese nach Moskau in ein Geheimarchiv. Erst im Februar 1991 gaben die sowjetischen Behörden die einmaligen Dokumente frei und im Lauf der Jahre 1991/1992 wurden sie zurück in die Gedenkstätte Auschwitz gebracht. Im Jahre 1995 wurden die wichtigsten Einträge in drei Bänden in deutsch veröffentlicht. Diese „Sterbebücher“ sind eine Sammlung von Sterbeurkunden des „Standesamtes II Auschwitz“, die leider lückenhaft ist, aber dennoch fast 69.000 Sterbeeinträge enthält.
Hier finden sich auch die Sterbeurkunden der drei Urexweiler Kinder. Maria und Peter Weiß wurden demnach am selben Tage, nämlich am 23. Juni 1943, ermordet, Maria starb laut Eintrag um 06.35 Uhr und Peter um 19.10 Uhr. Eva fand am 10. Mai 1943 um 11.00 Uhr den Tod.

Die Sterbeurkunden von Maria und Peter wurden am 01. Juli 1943 ausgestellt, die von Eva am 07. Juli 1943 und zwar von dem SS-Oberscharführer Walter Konrad Quakernak. Er leitete ab 1942 das Lagerstandesamt und das Krematorium I im Stammlager. Er wurde vom britischen Miltärgerichtshof zum Tode verurteilt und am 13.12.1945 hingerichtet.
Maria war zum Zeitpunkt ihres Todes 12 Jahre, Peter 17 Jahre und Eva gerade einmal 7 Jahre alt. Als Todesort wurde wie auf allen Sterbeurkunden der „Sterbebücher“ Auschwitz, Kasernenstraße" angegeben. Eine „Kasernenstraße“ gab es im Lager nicht. Mit der Straßenangabe sollte der Eindruck erweckt werden, als sei der Verstorbene an einem ganz normalen Ort in Auschwitz verblichen und nicht im Konzentrationslager. Aus den Sterbeurkunden ging in keinem Fall hervor, dass die Verstorbenen Häftlinge im Konzentrationslager Auschwitz waren.
Als Todesursache wurde bei Maria "Akuter Darmkatarrh bei Körperschwäche", bei Peter "Akuter Magendarmkatarrh" und bei Eva Masernangegeben. Diese Todesursachen waren erfunden und aus einer Liste von vorgegebenen möglichen Todesursachen willkürlich ausgewählt. Möglicherweise mißbrauchte man Maria und Peter für medizinische Versuche, denn die Ärzte, die ihre Sterbeurkunden veranlasst haben, die Doktoren der Medizin Mengele und Thilo, führten beide medizinische Men­schenversuche im „Krankenbau“ in Auschwitz, mit Voriebe an Kindern, durch. Die Eltern der drei Kinder waren Stefan Weiß und Maria Weiß, geborene Reinhardt, die ebenfalls in Auschwitz umgebracht wurden.

Die drei Geschwister wurden alle in Urexweiler geboren, aber nur Maria und Peter dort standesamtlich erfasst und auch ins Taufregister der katholischen Kirchengemeinde eingetragen. Deshalb sind über diese beiden eine Fülle von Daten erhalten geblieben. Ihre Schwester Eva, die ebenfalls in Urexweiler auf die Welt kam, wurde aber nicht mehr dort getauft, jedenfalls findet sich kein Eintrag von ihr im Taufregister. Auch im Standesamt der Gemeinde wurde sie nicht mehr registriert.

Peter Weiß:

Er wurde am 27. Juli 1925 in Urexweiler geboren und am 28. Juli unter der Nummer 36 standesamtlich erfasst. Wörtlich steht in der Standesamtsurkunde:

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute der Persönlichkeit

nach auf Grund seines Wandergewerbescheines

anerkannt,

der Stuhlflechter und Schirmflicker Stephan Weiß

wohnhaft in Wiesbach, Kreis Ottweiler

und zeigte an, daß von der

Maria Weiß, geborene Reinhard, seiner

Ehefrau

wohnhaft bei ihm

zu Urexweiler im Spritzenhaus

am siebenundzwanzigsten nachmittags

um zwei einhalb Uhr ein Knabe

geboren worden sei und daß das Kind den Vornamen

Peter

erhalten habe

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben

Stephan Weiß“


Am selben Tag noch wurde er in Urexweiler getauft und ins Taufregister eingetragen. Auf der Seite 102 aus dem Jahre 1925 unter der Nummer 39 steht folgenderder Eintrag über Peter Weiß:

die vigesima septima mensis Julii natus et die duodetrigesima Julii per R.D.

renatus est Petrus Weiß filius conjugum Stephani Weiß et Mariae Rein-

hardt habitantium in Wiesbach. Levabat Petrus Fuchs et Katharina

Hinsberger uterque es Urexweiler ortus.

In fidem Bernardy par.“

Peter wurde also einen Tag nach seiner Geburt in Urexweiler von Pfarrer Bernardy getauft, seine Paten waren die Urexweiler Bürger Peter Fuchs und Katharina Hinsberger.

Vier Wochen bevor er achtzehn werden konnte, so belegt die Sterbeurkunde Nr. 23935/1943 aus den „Sterbebüchern“ von Auschwitz, wurde er dort ermordet. Hier seine Sterbeurkunde aus Auschwitz:

 

Peter Weiß

(Quelle: Archiv Gedenkstätte Auschwitz)

Peter Weiß hatte auch noch nachdem das Saargebiet nationalsozialistisch geworden war Verbindungen nach Urexweiler. Bis ins Jahr 1935 war die Familie wohl regelmäßig in Urexweiler, zumindest aber zu den Zeiten, als ihre drei Kinder dort geboren wurden. Man kann also davon ausgehen, dass Peter auch im Mai 1931 als Maria zu Welt kam und im August 1935, als Eva geboren wurde, sich in Urexweiler aufhielt und manche Bewohner des Dorfes ihn womöglich auch kannten. Kontakt zu seinem Paten hatte er auf jeden Fall, denn das belegt ein Bericht über ihn im „St. Wendeler Volksblatt“ auf der Seite „Aus St. Wendel“ vom Samstag, dem 25. April 1936. Peter war damals 11 Jahre alt und befand sich offenbar in einer Notlage. Das „Fahrende Volk“ war in Deutschland nicht wohl gelitten und ab 1935 wurden Sinti und Roma verstärkt ebenso wie die jüdische Bevölkerung diskriminiert und verfolgt. Er war nach Urexweiler gekommen und suchte wohl Hilfe, die er aber leider dort nicht fand. In dem Zeitungsartikel stand wörtlich:

Zigeunerjunge stiehlt Fahrräder. Urexweiler, 24. April. Ein 11jähriger Zigeunerjunge, Peter Weis, der seinerzeit hier in Urexweiler geboren wurde, traf dieser Tage hier ein und suchte seinen Taufpaten auf. Er erklärte demselben, nicht mehr fortgehen zu wollen. Er wäre hier geboren und wolle nun auch hier bleiben, da seine Eltern gestorben seien. Da er aber hier nicht bleiben konnte, der Junge kann weder lesen noch schreiben, sollte er am anderen Morgen durch die Polizei nach St. Wendel zur weiteren Verwahrung gebracht werden. Für die Nacht fand er Unterkunft im Obdachlosenasyl. Aber anscheinend ließ ihm das Zigeunerblut in den Adern doch keine Ruhe, denn am Morgen war das Bürschchen verschwunden. Auch stellte sich gleich heraus, daß einem Nachbarn ein Herren- und Damenrad fehlten.An dem betreffenden Morgen fuhr ein Bergmann von Urexweiler mit seinem Rade zur Schicht, als am Ausgang des Ortes hinter ihm her der Zigeunerjunge auf einem Damenfahrrad ankam. Er stellte den Jungen zur Rede, der zur Antwort gab, er wolle spazieren fahren. Der Mann nahm ihm das Rad ab und stellte es in einer Scheune sicher. Nun hatte der Zigeunerjunge die Frechheit und ging zurück, nahm das andere Rad und verschwand. Hoffentlich wird der Dieb bald gefaßt.

Der 11-jährige Peter ahnte wohl, was ihm bevorstehen könnte und wollte bei seinem Paten, Peter Fuchs, in Urexweiler bleiben. Der nahm ihn allerdings nicht auf und bevor er anderntags „durch die Polizei nach St. Wendel zur weiteren Verwahrung gebracht“ werden konnte, machte er sich frühmorgens aus dem Staub. Wie es ihm dann weiter erging, konnte bisher nicht in Erfahrung gebracht werden. Sicher jedoch ist, dass er, sechs Jahre nach seinem Verschwinden aus Urexweiler, am 26. August 1942 ins Jugend-Konzentrationslager Moringen eingeliefert wurde - in der Sterbeurkunde von Auschwitz ist als Wohnort Moringen angegeben - das ab Juni 1940 als KZ für männliche Jugendliche eingerichtet worden war. In diesem KZ wurden im Rahmen der NS-Rassenpolitik medizinische Experimente an Kindern und Jugendlichen durchgeführt. „Sogenannte Kriminalbiologen - unter Führung von Dr. Dr. Robert Ritter - versuchten ihre Thesen, wonach Kriminalität und Asozialität erblich bedingt sein sollten, mit pseudowissenschaftlichen Untersuchungen an den inhaftierten Jungen zu belegen. ... Auf der Basis der in Moringen geschaffenen „wissenschaftlichen“ Grundlagen (sollte) die rassistische Rechtfertigung für die Ausrottung oder Unfruchtbarmachung ganzer Bevölkerungsgruppen ... geschaffen werden. Versuchsobjekte waren die jungen Häftlinge. ... Viele wurden auf der Grundlage von „erb- und kriminalbiologischen Gutachten“ zwangssterilisiert oder in andere Konzentrationslager deportiert.“ (http://www.gedenkstaette-moringen.de/). 
Letzteres geschah mit Peter, er landete in Auschwitz und wurde dort im Alter von 17 Jahren vergast. Im KZ Moringen erhielt er die Häftlingsnummer 726, und war im Beobachtungsblock B2 untergebracht. Am 24. März 1943 wurde er nach „Auschwitz verschubt“, wo er drei Tage später, am 27. März 1943, in Birkenau ankam. Auf der Transportliste stand als Bemerkung „Zigeunermischling“. Er wurde ins „Zigeunerlager“ verbracht und erhielt dort die Häftlingsnummer 5164. Drei Monate später war er tot.

 

Maria Weiß:

Sie wurde am 06. Mai 1931 in Urexweiler geboren und am 09. Mai unter der Nummer 20 des Jahres 1931 standesamtlich erfasst. Wörtlich lautete der Standesamtseintrag:

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute der Persönlichkeit

nach auf Grund seines Wandergewerbescheines

anerkannt,

der Stuhlflechter und Geigenhändler Stefan Weiß

wohnhaft in Webenheim, Bayern

und zeigte an, daß von der Maria Weiß, geborene

Reinhard, seiner Ehefrau

wohnhaft bei ihm

bei Urexweiler in einem Steinbruch

am sechsten Mei des Jahres

tausend neunhundert einunddreißig nachmittags

gegen vier Uhr ein Mädchen

geboren worden sei und daß das Kind den Vornamen

Maria

erhalten habe;

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben

Stefan Weiß“

Vier Tage nach ihrer Geburt wurde Maria in Urexweiler getauft und ins Taufregister eingetragen. Auf der Seite 177 aus dem Jahre 1931 unter der Nummer 26 steht der Eintrag über Maria Weiß:

die sexto mensis Maii nata et decimo m.e.

renata est Maria Weiß filia conjugum Stephani Weiß et Mariae

Reinhardt ex Webenheim (Pfalz). Levaban Victor Rohner et Maria

Mehle uterque ex Urexweiler. Bapt. Jung, par.

In fidem Jung, par.“

Maria wurde also am 10. Mai 1931 in Urexweiler von Pfarrer Jung getauft, ihre Paten waren die Urexweiler Bürger Victor Rohner und Maria Mehle.

Es war ihr gerade einmal vergönnt, 12 Jahre und 17 Tage zu leben. Dann fand sie im Konzentrationslager Auschwitz den Tod. In ihrer Sterbeurkunde ist folgendes eingetragen:

„Nr. 23934/1943

Auschwitz, den 1. Juli 1943

Die Maria Weiß

katholisch

wohnhaft Höhnebach, Kreis Rodenburg

ist am 23. Juni 1943 um 06 Uhr 35 Minuten

in Auschwitz, Kasernenstraße verstorben.

Die Verstorbene war geboren am 6. Mai 1931

in Urexweiler

Vater: Stefan Weiß

Mutter: Maria Weiß geborene Reinhardt

Eingetragen auf schriftliche Anzeige des Arztes Doktor der

Medizin Mengele in Auschwitz vom 23. Juni 1943

Auschwitz, den 1.7.1943

...

Todesursache: Akuter Darmkatarrh bei Körperschwäche“

 

Eva Weiß:

Sie wurde 7 Jahre, 8 Monate und 27 Tage alt. Hier ihre Sterbeurkunde aus dem Konzentrationslager Auschwitz:

 

57

(Quelle: Archiv Gedenkstätte Auschwitz)

Der letzte Wohnsitz von Eva war wie bei ihrer Schwester Maria Hönebach.

Insgesamt wurden etwa 234.000 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren nach Auschwitz deportiert. Ca. 220.000 von ihnen waren jüdisch, über 11.000 waren Kinder und Jugendliche von Sinti und Roma und über 3.000 Kinder und Jugendliche aus Polen, Weißrußland und der Ukraine. Das Los der ins Lager deportierten Kinder war schrecklich. Grundsätzlich wurden die jüdischen Kinder unmittelbar nach ihrer Einlieferung ins Lager zusammen mit älteren, gebrechlichen und zur Arbeit untauglichen erwachsenen Juden ermordet. Die allermeisten der nach Auschwitz deportierten Kinder und Jugendliche überlebten den Aufenthalt im Lager nicht.

Allein unter dem Namen Weiß finden sich in den „Sterbebüchern" 13 ermordete Kinder unter einem Jahr. Das jüngste von ihnen, Amalie Bertha Weiß, geboren am 01. Februar 1943 in Friedewald, wurde am 09. April 1943 im Alter von gerade einmal 2 Monaten und 7 Tagen umgebracht. Insgesamt findet man unter den 387 Opfern mit dem Namen Weiß(ss) 104 Kinder unter 16 Jahren, und wie schon erwähnt drei davon aus dem Marpinger Ortsteil Urexweiler.

Literaturhinweise:

  • Rose Romani, „Den Rauch hatten wir täglich vor Augen“, Heidelberg 1999
  • Kubica, Helena, „Kinder und Jugendliche im KL Auschwitz“, in „Auschwitz, Nationalsozialistisches Vernichtungslager“, Museum Auschwitz-Birkenau 1997
  • Eberhard Wagner, "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz - ein alternatives Heimatbuch", St. Ingbert 2008
 

Zwei Nein-Stimmen in Marpingen

Am Abend der Reichstagswahl vom 29.März 1936 geschah in Marpingen ein Verbrechen, das bis heute nicht gesühnt wurde. Die Täter sind offiziell unbekannt.

Am 29. März 1936 stellte Hitler sich mit einer reichsweiten Einheitsliste der NSDAP zur Wahl. Ziel war es ein möglichst einstimmiges Ergebnis für die nationalsozialistische Liste zu erreichen. Dafür wurde einiges an Propaganda investiert. Der Stimmzettel bot nur die Möglichkeit für den „Führer" Adolf Hitler und seine NSDAP zu stimmen oder eben seine Wahl ungültig zu machen. Im Vorfeld der Wahl wurde ziemlich großer Druck aufgebaut. Es wurde an die Volksgemeinschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl appelliert, Zeitungsschlagzeilen wie „Unser Leben gehört dem Führer" oder „Wir halten dem Führer die Treue – Kinderreiche stimmen am 29. März geschlossen mit ja!" prasselten vor dem Wahltag täglich auf die Leser(innen) ein. Wenn man Gegner des verbrecherischen Systems war, hatte man es sicher schwer, sich dieser Stimmung zu entziehen. Vom Regime wurde eine 100 %ige Wahlbeteiligung angestrebt und propagiert, so dass diejenigen Regimegegner(innen), die damit liebäugelten, die Wahl zu boykottieren, von vornherein den Gedanken verwarfen, weil sie sich durch Nichterscheinen im Wahllokal sofort verdächtig gemacht hätten. Zumal in den Dörfern jeder über die Einstellung des anderen Bescheid wusste.

Reichstag für Freiheit und Frieden

Wahlkreis

 

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

 

 

Adolf Hitler

 

 

Heß     Frick     Göring     Goebbels

 

 

(Muster des Stimmzettels)

So begaben sich am Wahlsonntag auch der Marpinger Kaplan Emil Fritzsche und die Köchin des katholischen Pfarrers, Fräulein Barbara Kinzinger, gemeinsam ins Wahllokal, um ihre Stimme abzugeben.

Der Zeitzeuge Alois Kunz, jun., berichtete folgendermaßen über die Ereignisse:

„Der Ortsgeistliche (Pastor Biegel) hatte schon in den frühen Sonntagnachmittagstunden sein „Ja", wie alle Marpinger, ohne Benutzung der Wahlkabine abgegeben. Kaplan und Haushälterin des Pfarrhauses, die kurz vor Schließung des Wahllokales hinter dem Vorhang der Wahlkabine ihren Stimmzettel ausfüllten, waren dadurch sofort verdächtig. Ein fanatisch-opportunistisches Mitglied des Wahlvorstandes hatte kurzentschlossen einen Finger in ein Tintenglas getaucht und die verdächtigen Umschläge unbemerkt markiert. Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Nach Ablauf der Wahlzeit wurde die Wahlurne geöffnet, die beiden mit Tintenfinger markierten Wahlumschläge wurden wieder entdeckt und als Nein-Stimmen identifiziert. Die einzigen Nein-Stimmen in Marpingen - vom Kaplan und von der Haushälterin des Pfarrhauses.
In der Gaststätte des Ortsgruppenleiters trafen sich nach Auszählung der Stimmen die führenden Parteigrößen des Ortes und die Vertreter der Polizei und fassten den Beschluss, noch am selben Abend zu handeln. SA- und SS-Mitglieder und sonstige Parteimitglieder und -anwärter marschierten geschlossen auf den Kirchberg vor das Pfarrhaus. Dort forderten sie drohend die Herausgabe der „Volksverräter" und „schwarzen Zigeuner". Einige in der Menge waren bewaffnet und so fielen nach kurzer Zeit, als die Tür nicht sofort geöffnet wurde, mehrere Schreckschüsse. Der Pastor machte schließlich die Tür auf und übergab die beiden, Haushälterin und Kaplan, der johlenden Menge. Man hing beiden jeweils ein Schild mit Schmähschriften um den Hals, die ein Lehrer der hiesigen Schule vorbereitet hatte, damit die Marpinger informiert würden, wie die „schwarzen Zigeuner" abgestimmt hatten. Auf dem Schild von Barbara Kinzinger konnte man eine Frau Gottes, wahrscheinlich eine Nonne, sehen mit der Inschrift darunter: „Sieh', ich bin des Herren Magd, ich allein hab' Nein gesagt".
So wurden die beiden von der johlenden Menge unter Anführung der örtlichen Nazigrößen durch das Dorf geführt, wobei sie gestoßen, geschlagen und angespuckt wurden. Als der Zug beim Haus des Ortsgruppenleiters in der heutigen Marienstraße, in der Nazizeit Adolf-Hitler-Straße, ankam, verhängte die örtliche Polizei die anrüchige „Schutzhaft" und beide wurden abtransportiert. Erst nach Einschaltung der bischöflichen Behörde in Trier wurde später eine Entlassung aus dem Zuchthaus in Germersheim erreicht. Der Kaplan Fritzsche durfte fortan nicht mehr in der Marpinger Schule unterrichten."

Soweit die Erinnerung von Alois Kunz, jun..

Auch eine andere Zeitzeugin, Justina Dewes, bestätigte diesen Ablauf der verbrecherischen Tat. Abends nach der Wahl hätte es einen Tumult gegeben. Eine Meute wäre den Kirchberg hoch ans Pfarrhaus und hätte den Kaplan und die Haushälterin abgeführt. „Das Dorf hat Kopf gestanden", so Frau Dewes wörtlich. Unter Absingen von Spottliedern sei man mit den beiden durchs Dorf gezogen.

Diese unglaubliche Geschichte wird im Wesentlichen auch bestätigt durch eine handschriftliche Eintragung in der Marpinger Schulchronik. Dort steht wörtlich:
„Am 29. März 1936 war die Reichstagswahl. Es wurden 2 Neinstimmen gezählt. Sie sollen, wie sich das Gerücht verbreitete, von dem Kaplan Emil Fritzsche und der Köchin des Pfarrers, Frl. Kinzinger, abgegeben worden sein. Der Kaplan verließ am anderen Morgen mit seinem Auto den Ort, die Köchin wurde an einem der nächsten Abende durch die SA verhaftet und mit einem Auto abgeführt. Beide kehrten nach einiger Zeit wieder nach hier zurück. Dem Kaplan wurde die Erteilung des Religionsunterrichtes in der Schule untersagt."
Der Verfasser der Schulchronik in dieser Zeit war der Rektor Johann Becker.

Dass das Ereignis nicht heimlich abgelaufen war, zumal geschossen wurde, und in Marpingen mit Sicherheit Dorfgespräch gewesen war, kann man auch aus einem „Bericht über das Wirken unseres Hochwürdigen Herrn Pfarrers Jakob Biegel in Marpingen und seinen Tod am 1. März 1946", herauslesen. Dieser wurde verfasst am 28. März 1946 und wurde quasi als ehrender Nachruf für den verstorbenen katholischen Pfarrer Jakob Biegel, der während der nationalsozialistischen Herrschaft als Pastor die Marpinger Kirchengemeinde führte, in die Schulchronik eingeheftet, allerdings ohne Nennung des Verfassers. Dort kann man über Pastor Biegel lesen: „... Schlimme Zeiten machte er 1936 durch, als sein Kaplan und seine Haushälterin ausgewiesen wurden. Damals zeigte sich sein edler, priesterlicher Charakter. Kein bitteres Wort kam über seine Lippen. Nur beten tat er für die, die ihm so Schweres angetan. ... Wie litt er schwer, als der Geistliche aus der Schule verwiesen wurde. ..."

Die Täter, die das Verbrechen damals verübten, sind bis heute nicht benannt, geschweige denn wurden sie vor Gericht angeklagt und verurteilt. Einige von ihnen findet man aber mit Sicherheit im Marpinger Ehrenbuch, in dem auch heute noch unter den „Helden" des Krieges 17 Nitglieder der NSDAP verehrt werden unter ihnen der damalige Ortsgruppenleiter der NSDAP und ein Aufseher des KZ Auschwitz.

Johann Adam Huber - wie ein Dorf an seinem Mitbürger verdient

Johann Adam Huber, so ist im Urexweiler Heimatbuch von 1987 auf Seite 37 zu lesen, war ein „tragischer Fall". Wörtlich schreiben die Autoren dort:

„Ein anderer Huber, Johann Adam, Junggeselle, genannt „Adei", am 20. April 1878 geboren, galt als lustiger, intelligenter und als skurriller Mitbürger, als Kaufmann, der Kontakte zu vielen Persönlichkeiten bis nach Frankfurt, Köln und Berlin hatte. Sein Haus auf dem „Knopp" war voll der selsamsten Waren, von Kleidern aller Modearten bis zu Spielzeugen und Feuerwerkskörpern. Adeis „Geschäftsgebaren" galt damals schon als sehr modern: Wer beispielsweise einen Mantelknopf kaufen wollte, musstest dafür unter Umständen fünf Mark bezahlen. Nahm er aber ein Dutzend davon, so erhielt er sie für weniger als 50 Pfennig. Über den Adei heute zu reden, ist wie ein Stück Vergangenheitsbewältigung: Johann Adam Huber ist der einzige Urexweiler Bürger, der in einem KZ verstarb, in Oranienburg. Er war ein Gegner des Hitlerregimes. Während des Krieges wurde er zunächst in Köln verhaftet, als er dort gegen die Schließung eines Ordensklosters mitdemonstrierte. Da kam er bald wieder frei. 1943 folgte die zweite Verhaftung, zu Hause. Von einem Gericht in Köln wurde er - wohl weil er zu laut geredet hatte - als „Volksfeind" zu Straflager verurteilt. Sein letzter Brief aus Oranienburg stammt vom 13. Februar 1945. Im März des gleichen Jahres sei das Lager, so berichtete später ein Mitgefangener aus Nalbach, aufgelöst worden. In dem allgemeinen „Rette-sich-wer-kann-Tumult" sei Johann Adam Huber wohl umgekommen. Da er keine direkten Angehörige hatte, wurden nach dem Krieg keine exakten Recherchen angestellt."

Soweit das, was die Urexweiler Heimatforschung über Johann Adam Huber herausgefunden und veröffentlicht hat, was aber ziemlich lückenhaft und ungenau ist. Im St. Wendeler Stadtarchiv finden sich noch weit mehr Informationen, als das, was das offizielle Urexweiler über ihn bekannt gab.

Johann Adam Huber wohnte in Urexweiler in der „Horst-Wessel-Straße 22". Er war, so kann man es aus den vorliegenden Quellen ohne weiteres herauslesen, ein für die damalige Zeit ungewöhnlicher Mensch, ein Individualist und Kosmopolit, der sich der Mehrheit nicht unterordnete, der aber auch für niemanden eine Gefahr war und niemanden beeinträchtigte. Wie das heute auch noch ist, werden solche Menschen von ihrer Umgebung argwöhnisch beobachtet und als Fremdkörper in der dörflichen Gemeinschaft schnell isoliert und ausgestoßen. Im Nationalsozialismus wurden solche Menschen zu „Volksschädlingen" abgestempelt, die man dann ohne Gnade aus der „Volksgemeinschaft" aussondern konnte. So geschah es auch Johann Adam Huber. Er passte nicht in diese Zeit und war auch nicht, wie die meisten seiner Zeitgenossen, gewillt, sich anzupassen und an dem verbrecherischen Treiben fast eines ganzen Volkes zu beteiligen. Zu seinem Unglück hatte er, wie er es selbst bezeichnete, „homosexuelle Neigungen", was ja noch bis weit in die deutschen Nachkriegsjahre ein Verbrechen war und nach dem Paragraphen 175 des StGB bestraft wurde.
Von den Behörden wurde er als „Trödelhändler" bezeichnet, der am 27.11.1912 seinen Gewerbebetrieb angemeldet hatte. Der Gegenstand seines Gewerbes war „Bücherverkauf, fertige Herren- und Knabenanzüge, Arbeiterkleider, Stoffe, Leinen- und Kurzwaren sowie Uhren". Seinen Laden hatte er in der damaligen 2Horst-Wessel-Straße", der heutigen Knoppstraße. In der Nacht von Sonntag auf Montag vom 15. auf den 16. Oktober 1933 wurde in sei Haus eingebrochen. Es wurden 13 Anzüge, 50 Uhren und 250 Frs. gestohlen . Dreimal war er vorbestraft wegen „gleichgeschlechtlichen Verkehrs" und hatte insgesamt 13 Monate dafür im Gefängnis verbracht, 1926 und 1927 wurde er zweimal wegen Zigarettenschmuggels und einmal wegen „unkonzessioniertem Handel mit Branntwein" zu Geldstrafen verurteilt. 1935 musste er 3 Monate wegen Hehlerei absitzen und Ende desselben Jahres wurde er angezeigt, weil er für katholische Ordensschwestern öffentlich Partei ergriffen hatte. Wegen Verleitung zum Meineid wurde er in diesem Prozess zu 1 Jahr und 6 Monate Zuchthaus verurteilt, die er absitzen musste. Am 26. Februar 1940 wurde er wiederum verhaftet, weil man ihn wegen „staatsfeindlichen Verhaltens" angezeigt hatte. Er wurde nach Ottweiler ins Gefängnis verbracht und nachdem er dort schon drei Wochen gesessen hatte wurde er am 16. März 1940 von den beiden Kriminaloberassistenten Luczka und Harms der Geheimen Staatspolizei vernommen.
Folgendes wurde von ihm zu Protokoll gegeben:

„Ich bin als Sohn des Landwirts Johann Huber und als Jüngster von 3 Geschwistern in Urexweiler geboren, bin im Elternhause erzogen worden und habe die kath. Volksschule in Urexweiler besucht. Meine Eltern und auch meine Geschwister haben einen guten Ruf und sind bisher nicht bestraft worden. Sie haben sich auch sonst nichts zu Schulden kommen lassen. Geisteskrankheiten sind bei uns in der Familie noch nicht vorgekommen. Mein Vater war selbständiger Landwirt. Er ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Meine Mutter wurde ebenfalls 76 Jahre alt. Nach meiner Schulentlassung blieb ich bei den Eltern zu Hause und half mit in der Landwirtschaft. Einen Beruf habe ich nicht erlernt. Ich blieb bis zur Vollendung meines 33. Lebensjahres im elterlichen Hause. Von 1900 bis 1902 habe ich meiner aktiven Dienstpflicht beim Inf.Reg. 30 in Saarlautern genügt. Ich ging als überzähliger Gefreiter ab. Im Januar 1915 wurde ich beim Landsturmbatl. in Saargemünd eingezogen. Ich hatte mir inzwischen einen Leistenbruch zugezogen und war infolgedessen vorläufig nicht kriegsverwendungsfähig. Anfang 1917 kam ich dann aber doch an die Ostfront, wurde aber bald wieder zurückgeschickt. Im Frühjahr 1917 wurde ich wegen meines Leistenbruchs aus dem Heeresdienst entlassen. Orden und Ehrenzeichen habe ich nicht erworben. Ich bin während des Krieges auch nicht mehr befördert worden. Nach meiner Entlassung aus dem Heeresdienst nahm ich wieder in Urexweiler Wohnung. In den ersten Monaten nach meiner Entlassung bezog ich eine Kriegsbeschädigtenrente. Im Jahre 1911 hatte ich mir im elterlichen Hause einen Kleiderhandel eingerichtet. Nebenbei war ich aber noch in der Landwirtschaft meines Vaters tätig. Ich war auch vor dem Kriege schon viel gereist, u.a. war ich in fast allen Städten Deutschlands und ausserdem in Belgien, Holland, Frankreich, in der Schweiz und in Italien. Ich war auch im Vatikan. Ich reiste damals zu meinem Vergnügen. Auf meinen Reisen hatte ich feststellen können, dass man in fast allen Städten bei der Versteigerung von Fundgegenständen, aufgebrauchten Kleidern usw. sehr billig einkauft. Das brachte mich auf den Gedanken, in Urexweiler einen Handel mit gebrauchten Kleidern anzufangen. Ich meldete dann mein Gewerbe beim Bürgermeisteramt Alsweiler an. In der Folgezeit habe ich dann regelmässig Auktionen besucht und dort gebrauchte aber auch neue Kleider und Kurzwaren zum Wiederverkauf aufgekauft. Ich unterhalte keinen Laden, sondern habe mir im elterlichen Hause, das inzwischen auf meinen Namen überschrieben wurde, in einer Wohnung eine Verkaufsstelle eingerichtet. Da ich die Waren auf den Auktionen und Versteigerungen immer billig einkaufte, konnte ich auch zu Schleuderpreisen verkaufen. Meine Kundschaft rekrutierte sich aus der Landbevölkerung von Urexweiler und den Nachbardörfern. Ich handele nicht nur mit gebrauchten Kleidern, sondern darüber hinaus auch noch mit neuen und gebrauchten Uhren, billigem Schmuck, Stöcken, Schirmen und bis vor kurzem auch mit antiquarischen Büchern. Mein Umsatz beläuft sich auf 2.000,-- bis 2.500,-- RM pro Jahr. Mein Einkommen beträgt 100,-- bis 150,-- RM pro Monat. Ich bin im Besitze einer Netzfahrkarte für die Rheinprovinz (Netz 12). Im allgemeinen halte ich mich nur wenig zuhause auf. In letzter Zeit war ich etwa 25 Tage jeden Monats unterwegs. Ich besuchte während der Zeit Versteigerungen und Auktionen. Meine Geschäftsreisen beschränken sich jetzt auf das Gebiet der Rheinprovinz. Seit 1935 bin ich nicht mehr im Auslande gewesen. Ich habe ein einfaches stehendes Gewerbe angemeldet. Das ist bereits im Jahre 1911 geschehen. Eine weitere Anmeldung ist nicht erfolgt. Mein Gewerbe ist nicht als Trödelhandel angemeldet, ich werde infolgedessen, obwohl ich fast ausschließlich mit gebrauchten Kleidern und Gegenständen handele, auch nicht als Trödelhändler geführt. Von Februar 1935 bis Juli 1937 hat mein Geschäft geruht. Ich verbüsste damals eine 18-monatige Zuchthausstrafe. Nach meiner Entlassung aus dem Zuchthaus habe ich mein Geschäft wieder aufgemacht, ohne es vorher noch einmal anzumelden. Bisher ist mir mein Gewerbe noch nicht verboten worden. Seit Ende 1938 stehe ich mit Juden in Geschäftsverbindung. Zuerst handelte ich mit dem Juden Blumenthal in Köln, Makkabäerstraße. Dieser Jude musste sein Geschäft aufgeben und verkaufte aus diesem Grunde seinen Restbestand an gebrauchten Kleidern. Ich kaufte einen größeren Posten für 200,-- RM. Im Frühjahr 1939 setzte ich mich mit dem Juden Max Stern in Köln, Sternengasse, in Verbindung. Stern unterhielt ein Partie-waren-en-gros-Geschäft. Er musste seinen Laden schliessen. Von Stern habe ich eine größere Menge von Kurzwaren, Kleidern, Handschuhen usw. gekauft. Die letzten Waren erhielt ich vor etwa vierzehn Tagen. Ich war damals noch bei Stern in Köln und holte die Waren dort selbst ab. Insgesamt kaufte ich im Lauf des letzten Jahres für 1.200,-- bis 1.500,-- RM Waren.

Mit weiteren Juden stehe ich nicht in Geschäftsverbindung. Stern hat inzwischen auch seine letzten Waren verkauft. Den Rest bekam ich. Ich muss erklären, dass ich bei Stern noch eine kleine Partie von Kurzwaren stehen habe. Ich bin Stern aus diesem Handel noch etwa 160,-- RM schuldig.
Ich bin im Besitze eines Wohnhauses mit 15 Morgen Land. Dieser Besitz, es handelt sich um den Nachlass meiner Eltern, ist auf meinen Namen eingetragen. Das ganze Anwesen hat einen Wert von rund 10.000,-- RM. Ich habe meine Geschwister aber noch nicht (ab)gefunden. Ich müsste ihnen von Rechts wegen noch je 2.000,-- RM auszahlen, das haben sie aber bisher noch nicht von mir verlangt. Meinen Warenbestand, der in meinem Wohnhause in Urexweiler lag, schätze ich auf einen Wert von 3.000,-- bis 4.000,-- RM, genau kann man das aber nicht sagen, weil die Preise für gebrauchte Kleider grossen Schwankungen unterliegen. An Bargeld habe ich etwa 500,-- RM. Über Bankguthaben verfüge ich nicht. Ich habe mir vor kurzem bei einem bekannten Bauern in Urexweiler etwa 600,-- RM geliehen. Dieses Geld habe ich noch nicht zurückgezahlt.
Ich habe eine Wohnung meines Hauses vermietet. Der Mietzins beträgt 12,-- RM pro Monat. Dieses Geld führe ich aber regelmässig an meine Schwester ab.
Mein Bruder, Jakob Huber, ist Landwirt und Stellmacher. Er hat in Urexweiler ein eigenes Anwesen. Seine Stellmacherei befindet sich in meinem Hause. Mein Bruder ist verheiratet. Er hat 13 Kinder. Meine Schwester, Elise, ist mit dem Bäcker und Landwirt Peter Brehm in Urexweiler verheiratet. Sie hat 2 Kinder.
Ich habe bisher keiner politischen Organisation angehört. Ich war wohl immer ein guter Katholik, gehörte aber dem Zentrum nicht an. Ich habe mich überhaupt nicht auf eine bestimmte Partei festgelegt. Während des Saarabstimmungskampfes war ich Mitglied der Deutschen Front. Nach der Rückgliederung bin ich keiner Organisation mehr beigetreten. Ich muss mich berichtigen. Ich bin Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, versehe aber in dieser Organisation keine Ämter.
Mit den Kommunisten oder Marxisten hatte ich nie etwas zu tun. Ich hatte früher homosexuelle Neigungen und bin mehrfach, insgesamt dreimal wegen gleichgeschlechtlichen Verkehrs vorbestraft. Die letzte Strafe wegen dieser Delikte, 13 Monate Gefängnis, habe ich am 25.9.33 verbüsst. Seit der Zeit habe ich mir in dieser Hinsicht nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Dann bin ich im Jahre 1925 wegen Beleidigung mit 2 Monaten Gefängnis bestraft worden. Man legte mir damals zur Last, dass ich einen Gendarmeriebeamten beleidigt hätte. Der Beamte hatte damals mein Geschäft revidiert. Im Jahre 1926 wurde ich wegen Übertretung der Gewerbeordnung - unkonzessionierter Handel mit Brantwein - mit 200,-- Franken Geldstrafe bezw. 20 Tagen Haft bestraft. In den Jahren 1926/27 bin ich zweimal wegen Schmuggelns bestraft worden. Ich hatte damals unverzollte Zigaretten vom Saargebiet nach Frankreich eingeführt. Die gegen mich ergangenen Gefängnisstrafen habe ich nicht verbüsst. Die Geldstrafe musste ich aber zahlen. Im Jahre 1935 wurde ich wegen Hehlerei mit 3 Monaten Gefängnis bestraft. Ich hatte damals für meinen Gewerbebetrieb gebrauchte Kleider gekauft, die aus einem Diebstahl herrührten. Im Jahre 1935 wurde ich wegen Heimtückevergehens zur Anzeige gebracht. Ich hatte damals Aeusserungen getan, die sich gegen die damals gegen kath. Ordensschwestern durchgeführten Devisenschieberprozesse richteten. Ich wurde freigesprochen, bin aber nach Abschluß dieses Verfahrens wegen Verleitung zum Meineid zu 1 Jahr und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt worden. Weitere Vorstrafen habe ich nicht. Die letzte Strafe habe ich am 30.7.1937 verbüsst. Im Jahre 1938 war noch ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Hehlerei gegen mich anhängig. Ich wurde damals dem Gericht vorgeführt. Haftbefehl wurde nicht erlassen. Ich bin auch nicht bestraft worden.
Wenn ich auf Geschäftsreisen bin, übernachte ich meistens in kath. Gesellenhäusern. Mitunter habe ich auch in Klöstern übernachtet."

Soweit das Protokoll der Vernehmung Johann Adam Hubers im Ottweiler Gefängnis vom 16. März 1940.

Die Gestapo ließ seine Aussagen beim Landrat des Kreises St. Wendel überprüfen und fragte an, ob er im Besitze eines ordnungsgemäßen Gewerbescheines sei und ob ihm angesichts der Vorstrafen sein Gewerbe schon früher einmal verboten worden sei. Mit Schreiben vom 16. April 1940 bestätigte das Landratsamt die Aussagen von Huber, aber auch, dass seine Gewerbetätigkeit rechtmäßig war, da die Vorstrafen nicht im Zusammenhang mit der Ausübung seines Gewerbebetriebes entstanden seien. Allerdings würde der Landrat Huber, „sobald er aus der gegenwärtigen Haft entlassen" würde, „zur Einstellung des Gewerbebetriebes auffordern." Zur Beschlagnahme des Warenbestandes bestünde allerdings keine gesetzliche Möglichkeit.

Zweimal im Abstand von etwa 14 Tagen, am 25. April und am 09. Mai, fragte die Ortspolizeibehörde der Bürgermeisterei Alsweiler nun beim Gendarmerie-Gruppenposten Urexweiler an, ob Johann Adam Huber entlassen worden sei, um ihm den Gewerbebetrieb zu untersagen. Am 18. Juni 1940 benachrichtigte dann der Gendarmeriemeister Becker aus Urexweiler die Ortspolizeibehörde, dass „der Händler Johann Adam Huber aus Urexweiler ... seit dem 16. April 1940 flüchtig" sei und „bis heute der Aufenthalt noch nicht ermittelt" sei.
Johann Adam Huber war es doch tatsächlich gelungen, am 16. April 1940 aus dem Ottweiler Gestapogefängnis zu entkommen und unterzutauchen. Und der Behörde und der Geheimen Staatspolizei gelang es auch bis zum Dezember 1941 nicht, seinen Aufenthalt trotz Fahndung zu ermitteln.

Johann Adam Huber war weg, was sollte jetzt mit seinen Waren geschehen? Diese Frage bewegte die Behörde nun Ende Januar 1941. Am 24. Januar 1941, so geht aus einer Aktennotiz hervor, wurde festgesetzt, dass am Montag, dem 27.,„in dem Geschäft Huber durch die Gendarmerie Beamten Wolf, Remmesweiler, und Rebholz, Marpingen, eine Bestandsaufnahme sämtlicher Kleidungsstücke" erfolgen sollte. Dann sollte zwei Tage später, mittwochs, dem 29., unter „Zuziehung des Kaufmanns Weirich, Oberthal," die Abschätzung dieser Waren erfolgen.
Dies geschah und mit Datum vom 04. Februar 1941 ersuchte das Bürgermeisteramt Alsweiler in einem Schreiben an die Geheime Staatspolizei Saarbrücken um Genehmigung für die Auflösung des Lagers:
„Der Vorgenannte wurde bekanntlich am 26.2.1940 festgenommen. Eine nunmehr in seinem Hause vorgenommene Bestandsaufnahme, hat ergeben, daß sich dortselbst noch eine ganze Menge gebrauchter Anzüge, Kurzwaren und dergl. mehr befinden. Es besteht die Gefahr, daß diese Sachen durch Motten zerfressen und dadurch der Allemeinheit verloren gehen, zumal Huber ledig und niemand da ist, der die Sachen in Ordnung hält. Schäden durch Mottenfraß und Verstaubung sind schon vorhanden. Es ist nun beabsichtigt im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsamt, das Lager zu räumen und die vorhandenen Waren öffentlich zu versteigern und sie dadurch der Wirtschaft zuzuführen. Ich bitte um baldgefl. Nachricht, ob dortseits Bedenken hiergegen bestehen."

Auf eine schriftliche Antwort der Gestapo wollte man in Urexweiler nicht warten und fragte schon vorab telefonisch nach. Darüber wurde am 07. Februar 1941 folgende Aktennotiz angefertigt:
„Nach telef. Rücksprache mit Krim. Oberass. Harms von der Staatspolizeistelle - Saarbrücken, bestehen gegen den Verkauf bzw. die Versteigerung der auf dem Lager des Huber befindlichen Gegenstände keine Bedenken. Evtl. sollen auch die Möbel zusammengestellt oder bei den Geschwistern abgestellt werden. Die freiwerdende Wohnung könne alsdann einer Familie aus Urexweiler zur Verfügung gestellt werden. Das Anwesen des Huber käme dann allerdings unter Zwangsverwaltung. Huber ist flüchtig, der Aufenthalt desselben ist unbekannt und liese sich bisher nicht ermitteln, es steht auch nicht fest, ob derselbe jemals ermittelt werden kann. Die ins Auge gefassten Massnahmen sind deshalb angebracht, damit nicht Gegenstände des täglichen Bedarfs dem Volksvermögen und der Allgemeinheit verloren gehen. Der Erlös muss für Huber sichergestellt werden, da keine Handhabe besteht, das Vermögen des H. einzuziehen. Ueber den gesamten Vorgang ist eine protokollarische Niederschrift anzufertigen und den Akten beizufügen. Ausserdem ist ein genaues Verzeichnis der vorhandenen Waren anzulegen in welchem auch der erzielte Erlös einzutragen ist. Ein schriftlicher Bescheid auf die Anfrage an die Gestapo erfolgt nicht mehr."

Am 26. Februar 1941 ging dennoch die Genehmigung der Gestapo Saarbrücken bei der Ortspolizeibehörde der Bürgermeisterei Alsweiler ein, zwei Tage vorher, am Montag, dem 24. Februar, hatte aber schon die Versteigerung der Waren von Johann Adam Huber im Saal der Wirtschaft Fuchs begonnen. Diese war mit Handzetteln und durch die Ortsschelle in Urexweiler und in den Nachbardörfern bekannt gemacht worden und wurde, wie von der Gestapo gewünscht, auf drei Listen minutiös protokolliert. Sie sollte die ganze Woche dauern.
Auf der ersten Liste wurde der genaue Bestand der Waren von Huber aufgeschrieben, auf der zweiten Liste wurde auf insgesamt 20 Seiten der Erlös festgehalten, wobei jeder Gegenstand einzeln mit seinem Versteigerungsergebnis aufgeführt wurde, und auf der dritten Liste wurden die entstandenen Ausgaben und welche Personen entschädigt wurden niedergeschrieben.

Liste 1 - Bestandsaufnahme:
Insgesamt kamen zur Versteigerung:
64 Gehröcke, 24 Smokings, 20 Fracks, 30 Anzüge, (unbekannte Zahl) Kinderanzüge, 16 Einzelhosen, 53 Mäntel, 12 Gummimäntel, 4 Winterjoppen, 6 Joppen, 3 Röcke (Herren), 32 Unterjacken, 10 Kinderpullover, 9 Westen, 100 Westen (farbig), 8 Unterwämse, 14 Paar Damenstrümpfe, 16 Paar Herrensocken, 15 Paar alte Schuhe, 5 m Handtuchstoff und 2 Stück Anzugstoff.

Liste 2 - Versteigerungserlöse:
VersteigerungserlöseKopie der Seite 1 der Liste der Versteigerungserlöse des Lagers von J.A.Huber, (Quelle: "Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz")
Diese Liste umfasste 20 Seiten, worauf jeder Gegenstand, der versteigert wurde, mit seinem Erlös aufgeführt wurde. Die erzielten Preise waren wahrscheinlich je nach Nachfrage ganz unterschiedlich. So mussten die Bieter für einen kompletten Gehrock etwa 10,00 RM hinblättern und für einen Gehrock ohne Hose 5,50 RM. Für den einen Mantel musste man 8,00 RM hinblättern, für einen andern 10,50 RM.

Liste 3 - Zusammenstellung der Ausgaben:
Auf dieser Liste wurden alle angefallenen Ausgaben zusammengestellt und jeweils mit Belegen nachgewiesen. Insgesamt wurden aufgrund von 16 Belegen (2 Belege fehlen) 371,89 RM an Personen, die mithalfen die Versteigerung zu organisieren und durchzuführen, ausgezahlt und 69,20 RM erhielt die Gemeinde Urexweiler, die davon noch ausstehende Grund- und Kirchensteuer an das Amt Alsweiler nachzahlte. Zusammen wurden 440,09 RM vom Versteigerungserlös einbehalten.

Folgende Personen erhielten im Einzelnen ihre Aufwendungen ersetzt, wobei für die Stunde 0,60 RM gezahlt wurden:

  1. Johann Boullay, Urexweiler, wegen Mithilfe während der Versteigerung 35,00 RM
  2. Gendarmen Wolf und Rebholz, wegen Beaufsichtigung, Räumung und Verbringung der Ware 12,00 RM
  3. Jakob Recktenwald, Friehofstraße 7, wegen 16 Stunden für Versteigerung 9,60 RM
  4. Jakob Gard, Ortsbürgermeister von Urexweiler, wegen 7 volle Tage beschäftigt 56,00 RM
  5. Wirt Fuchs, Urexweiler, für Getränke und Inanspruchnahme des Saales für 5 Tage, Heizung, Reinigung 34,44 RM
  6. Hebler und Schulz (kein Beleg vorhanden) 26,00 RM
  7. Gemeindediener Hinsberger, Marpingen, für die Bekanntmachung der Versteigerung 2,50 RM
  8. Gemeindediener Jennewein, Remmesweiler, für die Bekanntmachung mit der Ortsschelle 2,50 RM
  9. Vollzugsbeamter Braun, für die Durchführung der Versteigerung 35,00 RM
  10. Jakob Kleemann, Urexweiler, für 49 Stunden geleistete Arbeit 29,40 RM
  11. Jakob Staub, Urexweiler, Entschädigung 2,00 RM
  12. Peter Groß, Urexweiler, für 16 Stunden geleistete Arbeit 9,60 RM
  13. Johann Nikolaus Groß, Urexweiler, für 66 Stunden geleistete Arbeit 39,60 RM
  14. Jakob Recktenwald, Urexweiler, für 66 Stunden geleistete Arbeit 39,60 RM
  15. Peter Josef Dörr, Urexweiler, für Fahrten zur Wirtschaft Fuchs 16,00 RM
  16. Theodor Pfad, Dentist, Rechnung für Zahnbehandlung vom November 1939 bis Januar 1940 10,00 RM
  17. Klein und Fuchs, Urexweiler (kein Beleg vorhanden) 10,00 RM
  18. Gruppenwasserversorgungsverband Alsweiler, Reparatur am Wassermesser, Rechnung 2,65 RM
  19. Grundsteuer der Jahre bis 1941 56,00 RM
  20. Kirchensteuer 1939/40 13,20 RM

Durch die einwöchige Versteigerung des Warenbestandes von Johann Adam Huber vom 24. Februar bis zum 01. März 1941 wurden nach Abzug der Kosten insgesamt 1.930,28 RM eingenommen. Diese Summe wurde von der Ortspolizeibehörde des Amtsbürgermeisters von Alsweiler bei der Gerichtskasse Neunkirchen, Zweigstelle St. Wendel, hinterlegt. Allerdings erst am 29 Juli 1941, also fünf Monate später. Als empfangsberechtigte Personen für das Geld waren einmal Johann Adam Huber selbst angegeben und zum Anderen sein Bruder Jakob Huber, Landwirt, Josef-Goebbels-Straße 14, „falls Huber sich selbst nicht mehr meldet". In dem Hinterlegungsnachweis wurde als wichtig markiert angeführt, dass „gegen Huber ein Verfahren bei der Staatspolizei wegen staatsfeindlichen Verhaltens" anhängig und dass er „flüchtig" sei. Vor einer Freigabe des Geldes und Auszahlung an ihn sollte die Gestapostelle in Saarbrücken informiert werden.

Aber Johann Adam Huber kam nicht, um sein Geld in Empfang zu nehmen. Was mit der Summe geschehen ist, konnte vom Autor nicht in Erfahrung gebracht werden. Johann Adam Huber jedenfalls konnte fast das ganze Jahr 1941 unerkannt im Untergrund leben - bis zum 08. Oktober. Da wurde er in Köln auf dem Hauptbahnhof aufgegiffen und verhaftet. Sieben Wochen später wurde ihm am 02. Dezember 1941 vor dem Kölner Sondergericht der Prozess gemacht. Über diese Gerichtsverhandlung liegt die Kopie eines Zeitungsausschnittes vor , aus der allerdings die Zeitung, in der der Artikel erschien, nicht ersichtlich ist. Der Bericht hatte die Überschrift „2 ½ Jahre Zuchthaus für einen Volksschädling - Große Anzahl Kleider- und Lebensmittelkarten im Besitz des Herumtreibers" und hatte folgenden Wortlaut:

„Köln, 2. Dezember.Das Kölner Sondergericht verhandelte gegen den dreiundsechzigjährigen Adam H. aus dem Saargebiet, der sich seit 17 Monaten unangemeldet hier herumgetrieben hatte und nach langem Suchen am 8. Oktober von der Kriminalpolizei auf dem Hauptbahnhof verhaftet werden konnte. Der Angeklagte war im Februar 1940 im Saargebiet wegen staatsfeindlicher Aeußerungen festgenommen worden, es war ihm aber gelungen, Anfang April aus der Haft zu entfliehen. Er hatte sich erst vier bis fünf Wochen in seiner Heimat versteckt gehalten, sich dann aber im Mai v. J. nach Köln gewandt, wo er leichter verschwinden zu können glaubte. Eine Zeit lang war ihm dies auch gelungen, indem er sich teils bei Bekannten, teils in Bahnhofshallen oder im Freien aufhielt und offenbar von allerlei dunklen Geschäften gelebt hat. Als er im Oktober gefaßt wurde, fand man bei ihm 624 Mark in Papiergeld und insgesamt 5 Kleider-, 3 Fett-, 5 Eierkarten und zahlreiche einzelne Fett-, Brot-, Margarine- und Buttermarken sowie Reisemarken. Über den Erwerb dieser Karten erzählte er die unglaublichsten Dinge. Teils habe er sie geschenkt bekommen, teils habe er sie von Leuten erhalten, denen er markenfreie Essen bezahlt hätte, denn bei seiner Flucht aus der Haft habe er noch über einen Barbetrag von 2.200 Mark verfügt, die er in seiner Weste versteckt gehabt hätte. Dann hätte er häufig auf Versteigerungen getragene Kleider gekauft und diese gegen Hergabe von Lebensmittelkarten und Kleiderkarten verkauft. Da er sich auf der Flucht befand und verborgen halten mußte, habe er sich nirgends polizeilich melden können, hätte daher auch keine Lebensmittelkarten erhalten und sich daher auf diese Weise helfen müssen.
Trotz eingehender Vorhaltungen des Vorsitzenden, daß ihm diesen Schwindel niemand glauben könne, blieb er hartnäckig bei seiner Darstellung. Er war offenbar der Auffassung, er habe sich nicht strafbar gemacht, weil er, wie er immer wieder betonte, für sich keinesfalls mehr gebraucht habe, als ihm an Lebensmitteln zugestanden habe. Daß er durch das Hamstern so großer Mengen Lebensmittelmarken, die ihm gar nicht zustanden, die Bedarfsdeckung der Allgemeinheit aufs schwerste gefährdete, wollte er nicht einsehen.
Das Sondergericht konnte ihm zwar nicht nachweisen, wie er in den Besitz der Lebensmittel- und Kleiderkarten gekommen war, fest stand aber, daß sie keinesfalls ehrlich erworben sein konnten. Bei zwei Kleiderkarten konnte festgestellt werden, daß sie den Eigentümern verloren gegangen waren. Es lag demnach der Verdacht nahe, daß die erheblichen Mengen von Karten und Marken aus Diebstählen oder sonstigen unerlaubten Handlungen herrührten. Jedenfalls sei der Angeklagte, so führte das Gericht aus, zumal er schon recht erheblich vorbestraft war, als Volksschädling anzusehen, denn wer sich in so erheblichem Umfang Lebensmittel- und Kleiderkarten unrechtmäßig verschafft, gefährdet im Kriege die Bedarfsdeckung ganz erheblich. Der Angeklagte sei daher wegen Verbrechens gegen die Kriegswirtschaftsverordnung und Verstoßes gegen die Verbrauchsregelungsstrafverordnung unter Anwendung des § 4 der Volksschädlingsverordnung zu bestrafen. Eine Zuchthausstrafe von2 ½ Jahren neben 5 Jahren Ehrverlust erschien dem Sondergericht als erforderliche Sühne. Außerdem rechnete es dem Angeklagten wegen seines hartnäckigen Leugnens die Untersuchungshaft auf die Strafe nicht an."

Dieses Urteil von 2 ½ Jahren Zuchthaus war zugleich das Todesurteil von „Adei" Huber aus Urexweiler. Nachdem er bis zum Sommer 1944 seine Strafe abgesessen hatte, wurde er, wie in so vielen Fällen, nicht frei gelassen, sondern der Gestapo überstellt und in ein Konzentrationslager verbracht. In welches KZ er eingeliefert wurde, kann mit Sicherheit nicht gesagt werden, da eine Anfrage im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg nördlich von Berlin, negativ beschieden wurde. Das Urexweiler Heimatbuch nennt als das Konzentrationslager, in das man ihn einlieferte, Oranienburg. (Das KZ Sachsenhausen lag bei Oranienburg nördlich von Berlin.) Dort sei er „in dem allgemeinen ´Rette-sich-wer-kann-Tumult" umgekommen. Diese Formulierung ist natürlich äußerst verharmlosend, beinhaltet sie doch, dass sein Tod ein Unglück gewesen sei. Aber sein Tod war kein Unglück, sondern schlicht und einfach Mord.

Johann Adam Huber war einer, der sich gegen das Nazi-Regime öffentlich aufgelehnt hat und der deswegen und wahrscheinlich auch weil er homosexuell war und im KZ höchstwahrscheinlich den „rosa Wimpel" tragen musste, ermordet wurde. Es stünde der Gemeinde Marpingen gut an, wenn man ihn heute auf irgendeine angemessene Weise nachträglich noch ehren würde.